Der Künstler
_geboren 1995
_studiert an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle
Nils Jaeger absolvierte eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker bei Hamburg Süd und arbeitete auf international tätigen Containerschiffen. Aktuell studiert er Kunst und Sozialkunde (Politische Bildung) auf Lehramt an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In der kunstpädagogischen Arbeit liegt sein Forschungs- und Anwendungsschwerpunkt auf transkulturellen und kollaborativen Prozessen in Methodik und Unterrichtskultur. In der politischen Bildung beschäftigt er sich mit politikdidaktischen Methoden, die den Lernenden eigenständige Erfahrungen politischer Genese ermöglichen, die auf konstruktive Konfrontation mit der pluralistischen Gegebenheit politischer Werte aufbaut und die einem selbstermächtigenden und demokratischen Bildungsideal folgen. In seinem künstlerischen Schaffen erforscht er Fragen ästhetischer Synergien, Strukturen, Grenzen, Übergängen sowie Systemen im Prozess zwischen handelnder Person und Werk im Entstehen bzw. in der Betrachtung. Der Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit liegt auf Zeichnung und zeichnerischer Installation. Beruflich ist er tätig für die “Interkulturellen Wangeliner Workcamps” der “Europäischen Bildungsstätte für Lehmbau gGmbH sowie für die “Lehmbaukunst in sozialen Brennpunkten”-Projekte des Bunte Kuh e.V. Hamburg.
Das Werk
"Papergate", 2025, Mixed Media auf Papier, ca. 175 x 100 x 270 cm
Eine architektonische Membran aus Papier schwebt im Raum, gehalten von filigranen Fäden - eine Installation, die in ihrer ephemeren Konstruktion die Fragilität kultureller Formationen verkörpert. Diese schwebende Passage, die sich in einem 5m x 1,50m Bogen (relative Angabe, optimal wäre eine Höhe und Breite zum Hindurchschreiten; mehr Information siehe weiter unten) von Bodenpunkt zu Bodenpunkt erstreckt, manifestiert sich als Schwellenraum zwischen materieller und immaterieller Kulturerfahrung. Wichtig ist, dass die Zeichnung zum Großteil auf einer Durchgehenden Papierbahn angefertigt wird. Diese beginnt an einem Bodenpunkt und bildet den Bogen bis ca. 1,20m Höhe über dem zweiten Bodenpunkt. Die letzten 1,20m werden von 4 Überlappenden Zeichnungen abgeschlossen, die sich alle nur andeuten. Die innere Zeichnungsfläche zeigt eine Verflechtung regionaler Identitätsmarker (traditionelle Trachtenornamentik, „Türggabluama”- und „Vögelar”-Motive, Muster Vorarlberger Textilhandwerks bis Textilindustrie, architektonische Holzschindelstrukturen) mit dem schottischen Erbe von Falkenhorst (Douglas-Clan Tartans, Baronial-Architekturelemente des Schlosses Falkenhorst, schottische Ornamentik). Es werden also konkrete Marker im Spannungsfeld Vorarlberg und schottischem Erbe im Textilen und der Architektur gesammelt, um ein kleinstes kulturelles Musterarchiv zu erstellen. Meine Zeichentechnik verbindet dann dieses Musterarchiv mit gestischer Abstraktion: Konzeptuelle Gedanken, gesammelte, konkrete Muster aber auch situative Emotionen sowie örtliche Impressionen dienen als Quellen und Ausgangspunkte der Zeichenpraxis. Der körperliche Akt des Zeichnens, in seinem Wechselspiel zwischen Perzeption und Produktion, löst diese verschiedenen Ausgangspunkte in abstrakten Gestiken auf und setzt diese auf Papier. Die gesetzten Spuren treten dann in einen Vermittlungsprozess zwischen Abgrenzung und Übergang, zwischen Kontrast und Einklang. Die körperliche, intuitive Zeichengeste lässt dabei die ursprünglichen Referenzen bewusst verschwimmen - ein visuelles Spiel zwischen Wiedererkennung und Auflösung.
Die Installation offenbart zwei Perspektiven: Während sich auf der Innenseite die Zeichnung als komplexes Geflecht kultureller Codierungen präsentiert, offenbart die Außenseite die fragile Konstruiertheit dieser Kulturformation selbst. Die sich überlappenden Zeichnungen deuten auf die Pluralität im Selbst der eigenen Kulturidentität und der eigenen Erinnerung an. Im Durchschreiten dieser schwebenden Membran vollzieht sich eine körperliche, ästhetische Erfahrung - ein Moment, der oszilliert zwischen der scheinbaren Stabilität kultureller Zuschreibungen und der Kraft der interpretativen Identität einer situativen Wahrnehmung. Ein dritter Raum, ein Funke Transkulturalität soll erzeugt werden und sogleich zerfallen zwischen vorgefundener Kultur und mitgebrachten Ichs. Aufgehangen wird es an dünnen Schnüren, die an dünnen, weiß gelackten Brettern befestigt sind. Das Papier wird an den Brettern mit Klammern gehalten. Innen ergibt sich eine wirkungsvolle Zeichnung. Außen zeigt sich das konstruierte, zerfallsnahe Provisorium.