Helena Erhart

Die Künstlerin

_geboren 2055 in Feldkirch (Österreich)
_studiert am Mozarteum Innsbruck

Helena Erhart ist eine interdisziplinär arbeitende Künstlerin mit einem vielschichtigen Zugang zu Bild und Ausdruck. Ihre künstlerische Praxis bewegt sich zwischen Malerei, Fotografie, darstellender Kunst und konzeptuellen Ansätzen – stets auf der Suche nach präzisen Formen für persönliche, gesellschaftliche und ästhetische Fragestellungen.

Geboren und aufgewachsen in Vorarlberg, begann sie ihren Bildungsweg in der Volksschule Marul, der Musikmittelschule Thüringen und am Gymnasium in Feldkirch. Derzeit studiert sie am Mozarteum Innsbruck, wo sie ihren Blick weiter schärft und sich intensiv mit künstlerischen Strategien und zeitgenössischer Bildproduktion auseinandersetzt.

Früh wurde ihr Zugang zur Kunst auch öffentlich gewürdigt: So wurde sie mit einem Preis beim 49. Raiffeisen-Jugendwettbewerb ausgezeichnet. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch eine experimentierfreudige, aber zugleich reflektierte Haltung aus – sie verbindet visuelle Sensibilität mit einem konzeptuellen Denken, das sich nicht auf ein Medium festlegt.

Das Werk

_ "Licking Strawberries", 2024, Acryl auf Leinwand, 50 x 70 cm
_ "Smoking Strawberries", 2024, Acryl auf Leinwand, 79,5 x 60,5 cm
_ "But will men search for strawberries forever?", 2024, Acryl auf Leinwand, 50 x 50 cm

Zwischen habitualisierten Erwartungshaltungen, Erziehungsmustern und Erdbeeren - Konzeptuelles hinter den Werken:
In politischen Debatten über Feminismus, Gleichberechtigung und die Benachteiligung von Frauen kommt immer wieder ein Gedankenstrang, bzw. ein Argument auf, das infrage stellen lässt, inwieweit sich Frauen in Mitteleuropa überhaupt beschweren können oder dürfen über ihre privilegierte Situation in einer Region, in der „doch sowieso Gleichberechtigung herrscht“ und „wichtigere Probleme zu behandeln sind“. In Österreich dürfen Frauen Auto fahren, wählen gehen, sie werden verhältnismäßig wenig geschlagen, sie können rechtlich selbst über ihren Berufsweg entscheiden, dürfen ihre Partnerinnen oder Partner grundsätzlich selbst auswählen, werden nicht gezwungen, Kinder zu kriegen, dürfen Hosen anziehen und werden nicht verachtet, wenn sie unverheiratet Geschlechtsverkehr haben. Außerdem dürfen sie Politikerinnen sein, haben die Möglichkeit, innereheliche Vergewaltigungen anzuzeigen und werden nicht dazu verdonnert, jeden Tag das Mittagessen für die gesamte Familie vorzubereiten.
Wie kommt es aber, dass Frauen trotz rechtlicher Gleichstellung in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, sie den Großteil der unbezahlten, aber gesellschaftlich notwendigen Arbeit verrichten (Pflege, Kinderbetreuung, Haushalt) und die Opfer von häuslicher Gewalt, Missbräuchen und Vergewaltigungen größtenteils Frauen sind? Und kann man diese Geschlechtsdifferenzen einfach naturalisieren und behaupten, dass Frauen eben aufgrund ihrer biologischen Voraussetzungen „anders“ sind? Aber auch wenn man nicht vergewaltigt und geschlagen wurde und auf dem besten Weg ist, später nicht in einem monogamen Beziehungskonstrukt 5 Kinder großzuziehen, erlebt man als Mädchen oder Frau kleine Unterschiede, die einem teils gar nicht einmal selbst auffallen, weil sie eben gesamtgesellschaftlich habitualisiert worden sind.
Dass Brüder überschwänglich gelobt werden, wenn sie die Spülmaschine ausräumen und die eigenen Deutschtexte nicht so viel wert sind wie die der Klassenkameraden, „weil Mädchen eben besser schreiben können“ und dass die Beast Quest – Bücher in der Bücherei doch viel zu gruselig sind, wenn man ein Mädchen ist. Viel schneller emotional angeschlagen ist man eben. Und dass die Hotpants ja nicht zu kurz sein dürfen, weil die Jungs ja schauen könnten und man gleichzeitig doch seine Wimpern tuschen soll, um ihnen mehr zu gefallen. Und dass gepflegte Fingernägel so wichtig sind und dass es wirklich beeindruckend ist, dass man in die HTL gehen möchte, obwohl man doch ein Mädchen ist und einfach nicht so viel von Technik versteht. Und dann sollte man Hugo trinken, weil der süßer ist als Bier und besser zu heranwachsenden Frauen passt und ja die Pille nehmen, um schönere Haut zu bekommen und optische Privilegien einen als Frau sehr weit bringen können. Und im Dirndl schaut man so lieb aus und darf seine Brüste präsentieren, aber wehe man ist irritiert, wenn Onkel Herbert meint „ja schau, da darfst dich halt ned wundern, wenn dir wer draufgrapscht“. Und gleichzeitig sollte man ja nicht zu viel Sex haben oder gar zu wenig und wenn man nicht weiß, wie man richtig Fenster putzt und der große Bruder das auch nicht kann, dann ist es „bei ihm halt so“ und bei einem selbst „beschämend, weil später muss man das auch können.“ Und dankbar sollte man trotzdem sein, schließlich ist man nicht dafür zuständig, das Land zu verteidigen, falls tatsächlich mal ein Krieg kommen sollte sondern darf nach der Matura direkt studieren gehen und hoffentlich auch etwas, das später beruflich halbwegs Hand in Hand geht mit Mutter sein, schließlich will kaum jemand eine haben, die nicht auf die Kinder schauen kann. Und „Karriere machen“ wär halt trotzdem bewundernswert, das machen die modernen Frauen so, aber viele der „Powerfrauen“ sind ja auch irgendwie so selbstzentriert und machtgierig und wirken auch ein wenig
– männlich?
Geschlechtsdifferenzen spiegeln sich nicht unbedingt nur in rechtlichen Bedingungen wieder. Geschlechterungleichheit ist eine Gewaltform, die sich in habitualisierten Norm- und Wertvorstellungen finden lässt, und durch die Frauen weniger zugetraut wird. Etablierte Erziehungsmuster fördern Handlungsweisen, die Frauen sowohl offensichtlich als auch latent vom „männlichen Geschlecht“ differenzieren und so dazu führen, dass Frauen in Gesellschaftspositionen landen, in denen sie mangelnd wertgeschätzt oder für gesellschaftlich notwendige Arbeit nicht bezahlt werden. Zu verurteilen sind nicht jene Frauen, die ausschließlich zuhause sind und gerne kochen und sich um ihre Kinder kümmern oder jene, die gerne viel und oft Sex mit unterschiedlichen Partnern haben. Und auch nicht jene, die Unterschiede auch tatsächlich bemerken und ansprechen. Zu verurteilen sind patriarchale Strukturen, Norm- und Wertvorstellungen und die Naturalisierung von Geschlechtsdifferenzen.
In meiner Erdbeerserie dienen die Erdbeeren als Symbolik für jene Vorstellungen, die Frauen „anders machen“ obwohl diese nicht „anders sind“ und für jene Wertehaltungen, die ihre Arbeit degradieren oder dazu führen, dass ihnen Kompetenzen abgesprochen werden. Von außen wirken diese Norm-und Wertvorstellungen harmlos und lieblich, wie gemalte Zierfrüchte und doch können sie, wie in „smoking strawberries“ gravierende Auswirkungen haben und sich – salopp verglichen „wie eine Sucht“ – von frühauf entwickeln und in die Normvorstellungen von Menschen pflanzen und sind zudem immens schwierig loszuwerden. In „licking strawberries“ wird dargestellt, wie ertränkend und vereinnahmend geschlechtsdifferenzierende Vorstellungen sein können, und wie man überall von ihnen umgeben ist. Das dritte ausgestellte Bild „But will men search for strawberries forever ?“ soll verdeutlichen, wie immer wieder nach Möglichkeiten gesucht wird, Attribute an Frauen zu finden, die dazu dienen können, Geschlechterungleichheiten herzustellen.

Artist´s Statement

Wünschenswert für Österreichs Zukunft wäre nicht nur rechtliche Gleichberechtigung: sondern wertgeschätzte und fair aufgeteilte Care-Arbeit. Gewalt gegen Frauen gehört der Vergangenheit an und Machtpositionen in Politik, Wirtschaft und Medien sind geschlechtergerecht besetzt. Kinder wachsen frei von starren Rollenbildern auf, individuelle Lebensentwürfe werden respektiert. Vielfalt wird gefördert, Diskriminierung aktiv bekämpft – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Körperliche Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit sind selbstverständlich. Beständig ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen sicher, frei und respektvoll miteinander leben – ohne Benachteiligung, sondern mit gleichen Chancen und echter Wertschätzung für alle Lebensbereiche. Kunst im Sozialraum soll heute und in der Zukunft dazu anregen, Normvorstellungen zu überdenken und Gedankenanstöße in Richtung Geschlechtergleichheit geben.