Die Künstlerin
_geboren 1996 in Vorarlberg
_studierte am Kolleg für Kunsthandwerk und Objektdesign, Kramsach
Anna Bertle arbeitet im Spannungsfeld zwischen traditioneller Glaskunst, zeitgenössischem Objektdesign und performativer Ausdrucksform. Nach ihrem Abschluss am Kolleg für Kunsthandwerk und Objektdesign in Kramsach im Jahr 2016 vertiefte sie ihr handwerkliches und künstlerisches Können in verschiedenen Fort- und Weiterbildungen – unter anderem bei Mandy Rasch und in intensiven Sommerakademie-Programmen des Bild-Werk Frauenau. Dort lernte sie unter der Anleitung international renommierter Glaskünstler*innen wie Shane Fero, Kit Paulson, Janis Miltenberger und Emma Mackintosh; eine weitere Teilnahme 2025 in der Klasse von Simone Crestani ist bereits bestätigt.
Ihre Werke waren in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zu sehen, etwa im Zeppelinmuseum Friedrichshafen („Beziehungsstatus: Offen“, 2022), bei ArtCreation in Glonn oder im Rahmen der Art Performance „Carnival Couture“ (2024), in der sie tragbare Glaskunst in Szene setzte. Seit 2018 sind zudem zwei ihrer Werke Teil der Dauerausstellung im Grammophonicum Frastanz. Auch bei der Kunst- und Einkaufsnacht in Schruns ist sie seit 2015 regelmäßig vertreten.
Ihr Schaffen, das durch eine feinfühlige Balance zwischen Präzision und Experiment besticht, wurde mehrfach in der amerikanischen Fachzeitschrift Glass Line Magazine publiziert. 2023 erhielt sie einen Förderpreis im Rahmen des internationalen Glasfestivals in Wertheim (gemeinsam mit einem Partnerprojekt).
Anna Bertle bewegt sich mit großer Selbstverständlichkeit zwischen Handwerk und Konzept, zwischen Glaskunst, Mode und Objekt – und lässt in ihrer Arbeit die Grenzen zwischen traditioneller Technik und zeitgenössischer künstlerischer Vision auf faszinierende Weise verschwimmen.
Das Werk
SYNTHESE, 2018, Glasintarsien in Schwemmholz, ca. 100 cm
In diesem Werk geht es um überwundene Vergänglichkeit: Glas entsteht in der Natur, ist aber auch der älteste künstlich hergestellte Werkstoff des Menschen. Es ist natürlich UND künstlich. Holz war bis zur Erfindung von Soda als Pottasche einer der wesentlichsten Komponenten der Glasherstellung. Somit wurde aus einem vergänglichen Material ein wesentlicher Teil eines komplexen Stoffes, der zu den chemisch stabilsten überhaupt gehört. Durch das Einfügen von farbigen, handgezogenen Glasfäden in die vom Wasser verursachten Kerben des Schwemmholzes wird diese Synthese von Natur und Kunst – auf den zweiten Blick – sichtbar.
Artist`s Statement: Glasgedanken
Glas – die Überwindung der Vergänglichkeit I Wird der Werkstoff Glas dem Menschen gegenübergestellt, so zeigt sich, dass sich nicht nur der menschliche Charakter durch starke Gegensätze und große Ambivalenz auszeichnen, sondern auch das Material. Glas ist genauso facettenreich wie ein Individuum, denn seine Eigenschaften sind vielseitig.
Leider wird es, vor allem in seiner Symbolkraft, heute allzu häufig auf seine Transparenz und auf seine Zerbrechlichkeit reduziert. Dabei ist Glas wesentlich mehr als nur das. Es verschwindet als qualitätvolles, ausdrucksstarkes Medium immer mehr aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein und zwar gerade darum, weil es ein ständiger, selbstverständlich gewordener Begleiter ist. Man denke nur an die vielen Trinkgläser, Fensterscheiben, Raumtrenner, Straßenmarkierungen, Fassaden, Spiegel oder Lampen. Dabei kann Glas viel mehr als nur hart, kalt, zerbrechlich und farblos sein.
Glas ist vor allem bunt, denn die große Erfindung war einst nicht das Glas zu färben, sondern es farblos zu machen. Seine Farbigkeit ist vielfach von großer Strahlkraft, die nicht ausbleicht und sogar das Sonnenlicht einzufangen vermag. Nicht jede Art von Glas geht dabei leicht in die Brüche, es gibt auch viele Arten von Sicherheitsgläsern, die vor einem breiten Spektrum an Gefahren schützen können, wie vor Radioaktivität, Feuer, Geschossen oder Verletzungen. Im Alltag hat Glas vor allem als Fenster eine klare trennende und zugleich verbindende Funktion. Und aus all diesen und vielen anderen Gründen könnte Glas eine starke Symbolkraft und einen großen Reflexionswert in der Kunst und der vielschichtigen, sich wandelnden Gesellschaft haben.
Für meine Glasarbeiten ist mir stets die Natur in all ihren Erscheinungen eine wichtige Inspirationsquelle und Vorbild. Daher wird in meiner Arbeit mit Glas dieser Dialog zwischen Natur und Kunst sichtbar gemacht.
Glas kann in der Natur durch Vulkanausbrüche, Blitzschläge oder Meteoriteneinschläge entstehen und ist gleichzeitig einer der ältesten von Menschenhand künstlich hergestellten Werkstoffe überhaupt. In der Natur ist Glas von amorpher Gestalt, aber der Mensch, der über genügend Wissen und Können verfügt, ist in der Lage es herzustellen, hochpräzise zu verarbeiten, zu gestalten und zu formen.
Bis zur Erfindung von Soda war die aus Holz hergestellte Pottasche neben Quarzsand und Kalk eine der drei Grundkomponenten der Glasproduktion. Ein vergängliches Material wie Holz wird zu einem Grundbestandteil eines Stoffes, der zu den stabilsten überhaupt gehört. Solche Transformationen faszinieren mich. In dem ausgestellten Werk sind farbige, handgezogene, Buntglasfäden in die Kerben eines Schwemmholzes eingearbeitet, um die vom Wasser erzeugten Spuren sichtbar zu machen. So entsteht eine Art Synthese von Vergänglichkeit und Dauerhaftigkeit und betont meinen Gedanken, dass Glas der Werkstoff ist, der die Vergänglichkeit überwindet.